Weiterbildung der anderen Art
Eine persönliche Einleitung...
Wir betreiben eine der wohl schönsten Sportarten der Welt.
Gleitschirmfliegen bedeutet für mich Herausforderung und Erholung gleichzeitig; das verbissene Kämpfen um die kleinste Thermik am Hausberg oder das demütige Gleiten durch imposante Felswelten. Manchmal ertrage ich das Ruckeln im Wind besser und fliege konzentriert in die nächste allenfalls unruhige Situation, manchmal ist es mir zuviel und fliege ich lieber nach Hause. Manchmal saufe ich ab und wäre gerne obengeblieben; manchmal bin ich hoch oben und möchte lieber unten sein. Ich lese im Glider die Flugberichte und studiere die Unfallmeldungen. Auch das Gleitschirmfliegen hat zwei Medaillenseiten.
Vor dem Flug checke ich das Wetter und entscheide meist auf Nummer sicher. Während dem Fliegen ebenfalls. Trotzdem kann ich in Situationen geraten, welche mir vielleicht die Freude am Fliegen verderben könnten. Den Schirm in jeder Situation im Griff zu haben bzw. schnell und richtig zu reagieren bei Kappenstörungen oder saugenden Wolken - ich weiss, dass ich das nicht gelernt habe und nicht kann. Ich fürchte mich davor, mich in einem Sicherheitskurs genau diesen Situationen auszusetzen. Trotzdem entschliesse ich mich dazu, um eine bessere Pilotin zu werden.
SIKU im Berner Oberland
Bei den Vorstandsitzungen stand schon länger die Idee im Raum, einen SIKU für Clubmitglieder zu organisieren. Dieses Jahr wurde das Projekt in Angriff genommen und ein Budget zur Verfügung gestellt. Mit Andy von der Flugbasis in Spiez fanden wir einen kompetenten Anbieter im Berner Oberland. Der Siku wurde auf zwei Tage angelegt; aufgrund des Wetters musste das Programm auf einen Tag eingekürzt werden. Leider meldeten sich nicht so viele Spitzmeilnis wie gehofft, bzw. einige meldeten sich wieder ab. Trotzdem entschied der Vorstand, den Siku durchzuführen.
Sechs Pilotinnen und Piloten fanden sich dann am Samstagnachmittag beim Camping in Interlaken ein. Beim anschliessenden Briefing in Spiez erklärte uns Andy die einzelnen Manöver für Schnellabstieg und bei Kappenstörungen, die wir am nächsten Tag üben konnten. Er hatte uns ein Programm ausgearbeitet, dass sich über 3 Flüge erstreckte. Der Abend war gleichzeitig auch eine anschauliche Nachhilfestunde in Sachen Flug- und Materialtechnik - mir tat es gut ;-) . Am kommenden Morgen besammelten wir uns früh zur Besichtigung des Landeplatzes Lehn in Interlaken. Mit Büssli, Bahn und Gondeln gings aufs Niederhorn. Die traumhafte Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau konnten wir leider gar nicht so lange geniessen; speditiv wurden wir in die Luft zur Manöverbox über dem Thunersee geschickt.Andy legte ein rasches Tempo vor, er dirigierte uns sicher, aber bestimmt durch die Manöver:
Abstiegshilfen: Big Ears, Spirale, B-Stall
Kappenstörungen: Seitenklapper unbeschleunigt und beschleinigt, Frontklapper
Ausserdem: Vrillenansatz, Fullstall, SAT
Die Arbeitshöhe von 1600m wurde gut ausgenutzt, und man konnte seinen Gleitschirm von (wortwörtlich) verschiedenen Seiten kennenlernen. Nebst viel technischen Wissen erklärte Andy auch psychologische Vorgänge in Notsituationen.So manch einer fand sich in einer ungewöhnlichen Situation wieder und konnte das nachvollziehen. Mit dem SAT hatten wir aber auch ein schönes Akromanöver im Programm. Wobei jeder die Manöver fliegen konnte, die ihm passten.
Beim anschliessenden Debriefing wurde nochmals auf einzelne Manöver, Lösungsansätze, aber auch Schirmtypen eingegangen. Im Idealfall hätten wir ein Nacht "drüber schlafen" können und am nächsten Tag das Wissen nochmals gefestigt. So war es für Siku-Neulinge aber ein spannender Einstieg und für erfahrenere Flugsstörungshasen eine gute Auffrischung.
Und jetzt?
Ich bin froh, dass ich den SIKU gemacht habe. Und erleichtert, dass er durch ist. Ich fürchtete mich vor dem Abspiralen und davor, dass es mich so dermassen "zerlegt" bei einer Störung, dass ich Angst vor dem Fliegen bekomme. Das war zum Glück nicht der Fall. Während den Manövern fühlte ich mich gut begleitet und ich weiss, dass ich einen zuverlässigen Schirm habe, der meinem Können angemessen ist. Trotzdem kann er ordentlich Dynamik entwickeln. Diese abzufangen muss ich noch weiter üben. Deshalb nehme ich mir vor, im nächsten Jahr wieder ein Sicherheitstraining zu machen. Auch wenn ich mich ein bisschen dazu überwinden muss.
Edith